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Interview: Freedom Call

mit Chris Bay vom 11. Januar 2012 via Phone
Dass viele Metalbands in den letzten Jahren zunehmend mit finanziellen Problemen und stagnierenden Plattenverkäufen zu kämpfen haben, ist keine Neuigkeit mehr. Nicht nur junge Bands sind davon betroffen, sondern auch bei oft seit Jahren und Jahrzehnten in der Szene aktiven Platzhirschen kann es wie bei jungen Senkrechtstartern von heute auf morgen finanziell ziemlich eng werden …
Doch wie wirtschaftet man als Musiker oder als Band denn nun eigentlich? Wie sieht der oberflächlich betrachtet so einfach anmutende Weg vom anfänglichen Wunsch zur komplett durchgeplanten Tour aus? Wie das alles hinter den Kulissen so abläuft, was wie organisiert werden muss und welche Fettnäpfchen man bei der ganzen Geschichte beachten sollte, all das erfahrt ihr in unserem Telefoninterview mit Chris Bay, dem Mitbegründer und Frontmann der fränkischen Metaller von Freedom Call.
Zudem berichtet uns Chris über das jüngste Album der Band, Land of the Crimson Dawn, welches in Deutschland ab dem 24. Februar erhältlich sein wird. Ab März steht dann auch schon die Tour zum Album an, die mit einem Gig beim R.O.W. Benefiz Festival beginnt und die Band danach unter anderem in die Tschechische Republik zum diesjährigen Masters of Rock sowie in viele weitere Länder wie die Niederlande, Schweden und Spanien führen wird.
Aber nicht nur Album und die Tour waren Gesprächsthemen, sondern auch die stilistisch ganz besondere, einzigartige Musik von Freedom Call. Bevor wir hier jedoch zu viele weitere Worte verlieren, lest einfach selbst nach, was Chris uns alles an spannenden Geschichten und Sachverhalten zu erzählt hat!
Viel Spaß beim Lesen!
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Das Interview:

Alex: Hallo Chris! Erstmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst! Wie geht´s dir so? Was macht die Band?
Chris: Ja, alles sehr prima! Wir sind gerade sehr aktiv schon beim Proben für die anstehende Tour. Das ist natürlich immer ein sehr spannender Augenblick, wenn man gerade das neue Material von unserem neuen Album Land of the Crimson Dawn, dass ja jetzt im Februar rauskommt, das erste mal so richtig zusammen probt. Wir haben sie natürlich vor der Produktion schon immer so fragmentweise angespielt im Proberaum. Aber wenn man dann den ganzen Titel fertig produziert quasi wieder live nachempfindet, ist es im Prinzip schon ein spannender Augenblick. Ob's auch alles klappt, ob der Song auch groovt, ob er einfach noch gefallen tut. Ja, und da waren wir sehr positiv überrascht! Ich denke, das werden richtige Killersongs in unserem zukünftigen Programm!
Alex: Du hast ja gerade schon das neue Album angesprochen, welches am 24. Februar in Deutschland erscheint. Was kannst du uns zur Produktion und zum Entstehungsprozess der Platte erzählen?
Chris: Ja, wir haben dieses mal ein komplett neues Setup ausgewählt. Wir haben die gesamte Produktion hier in unserem Heimatland Franken durchgeführt. Das heißt, dass wir auch ein komplett neues Produzenten-Team hatten, in anderen Studios aufgenommen haben und dass natürlich zum ersten Mal unser neuer Trommler Klaus Sperling zum Einsatz im Studio gekommen ist.
Und das hat alles so klasse funktioniert, wir hatten einen Mörderspaß schon bei der Produktion und ich denke, dass das Album schon weitaus „liviger" geworden ist. Sprich, dass diese Komponenten, die uns bei unseren Konzerten immer sehr positiv angerechnet werden, dass es alles einfach ein bisschen rauer klingt und nicht so glatt gebügelt wie vielleicht auf einigen unserer vorherigen Produktionen. Diese Spielfreude haben wir einfach wirklich versucht auf die Platte zu bekommen. Ich denke das ist uns sehr, sehr gut gelungen! Wobei zu sagen ist, dass es einem natürlich sehr schwer fällt, als Mitwirkender Künstler sein Werk selber zu beurteilen. Das überlasse ich doch gerne lieber anderen.
Alex: Wart ihr früher zufällig bei Dirk Schlächter und Kai Hansen in den Hammer Recording Studios in Hamburg zur Produktion eurer Alben?
Chris: Nein, nein! Von dieser Verbindung haben wir uns bei dieser Produktion komplett abgenabelt, weil wir uns einfach mal als Gesamtband Freedom Call auch irgendwie beweisen wollten. Gerade auch weil unser Ex-Trommler Daniel Zimmermann, der ja auch bei Gamma Ray aktiv ist, von der Presse oder bei vielen Leuten immer so in den Vordergrund gezogen wurde, als ob Freedom Call ein Projekt von dem Gamma Ray-Schlagzeuger wäre, was jedoch von Anfang an nie der Fall gewesen ist. Das wurde uns einfach so in den Mund gelegt und da wollten wir einfach mal beweisen, dass es auch ohne all diese Verbindungen geht. Dass wir als Band Freedom Call unsere eigenen Songs ohne den Trommler von Gamma Ray wirklich so rüber bringen können, dass die Leute merken, dass wir eine vollkommen eigenständige Band sind, ohne irgendwelche Vergleiche zu anderen Bands zu haben.
Alex: Was sind so die Unterschiede zwischen dem neuen Album und seinem Vorgänger „Legend of the Shadowking"?
Chris: Grundlegende Unterschiede wollten wir gar nicht mit rein nehmen, weil wir einfach die Musik machen, die uns so sprichwörtlich aus den Fingern fließt und auf die wir Lust haben. Da sind wir uns eigentlich auf allen bisherigen Alben treu geblieben im Bezug auf diese positive und extrem optimistische Ausstrahlung, die vielleicht manchen Leuten ein bisschen übertrieben vorkommt. Aber so sind wir nun mal! Eigentlich hat sich an der Musik stilistisch gar nichts gewandelt. Ich denke, dass das alles doch sehr unehrlich von unserer Seite wäre, wenn wir jetzt tiefgründige Veränderungen vornehmen würden. Aber ich glaub auch, die Spielfreude und diese – sag ich mal – rock'n'rollige Raffer-Art unterscheiden das neue Album dann hoffentlich doch so ein wenig von den Vorgängern. Also, eine Entwicklung hat bei uns schon stattgefunden.
Alex: Habt ihr denn vor, zu einem der neuen Songs ein Musikvideo zu drehen?
Chris: Ja, da bin ich gerade dabei! Ich habe kurz bevor ich dich angerufen habe den Telefonhörer aufgelegt. [lacht]
Wir sind nächste Woche am Video drehen und das ganze wird auch hier in unserer fränkischen Heimat stattfinden. Da haben wir ein paar super klasse Ideen, die ich allerdings noch nicht ganz verraten möchte, da es ja eine Überraschung werden soll! Wir werden auch zu dem Musikvideo ein so genanntes Making Of mitdrehen, quasi ein Video über das Video und das dann auch in verschiedenen Episoden soweit bringen, bis wir das Gesamtvideowerk veröffentlichen werden.
Alex: Gerade haben wir ein Interview mit Ralf Scheepers geführt, in dem er uns von den aktuellen Problemen bei der Produktion eines neuen Albums und Musikvideos berichtet hat. Zum Beispiel haben die Bandmitglieder fast alle Instrumente aus Kostengründen getrennt in ihren eigenen Studios aufnehmen müssen, anstatt sich wochenlang alle gemeinsam in einem Studio zu vergraben. Wie sieht es bei euch aus? Ist da die gleiche Entwicklung festzustellen?
Chris: Nein, überhaupt nicht! Da legen wir ganz viel Wert drauf, denn wichtig ist für uns bei einer Produktion, dass wir ein gewisses Gemeinschaftsverständnis haben, dass wir wirklich zusammen sitzen und auch die Musik zusammen machen. Ansonsten würde ich mich fast so fühlen, als ob es schon so etwas wie einen synthetischen Einfluss bekommt. Ich finde dieses gemeinsame Arbeiten hat den Zweck, dass man dann letztendlich als Band erklingt, dass es nicht nur eine Musik ist, die man in irgendeiner Weise, die ja heutzutage durch das Internet relativ einfach zu händeln wäre, die man an getrennten Stationen durchführt. Das ist für mich nicht der Hauptsinn Musik zu machen, weil die Fans oder die Zuhörer wollen ja ein Musikwerk von einer Band hören, wie Freedom Call oder in dem Fall Primal Fear oder Sinner, Metallica, ACDC und wie sie alle heißen. Sie wollen ja ein Produkt von der Band hören und nicht von den Einzelmusikern. Dafür gibt es dann wiederum Solo-Alben! Ich finde es wichtig, dass man ein gewisses Kreativum und eine gewisse Innovation in der Gemeinschaft, quasi als Team, bildet.
Und da würde ich in dem Fall, wenn es sich natürlich im Rahmen hält, auch keine Kosten und Mühen scheuen, dass man es in irgendeiner Weise sich realisiert, dass man als Band und als Team die ganze Geschichte zusammen durchzieht. Das heißt jetzt nicht, dass man acht Stunden aufeinander sitzen muss, aber dass man einfach als Kollektiv die Songs mit den eigenen oder einzelnen Einflüssen in Einklang bringt, dass man es trotzdem als Einheit bringt. Und das würde bei uns so nicht funktionieren, wenn jeder einzelne von verschiedenen Orten einfach ein bisschen seinen Senf dazu geben würde. Damit wäre ich nicht happy ...
Alex: Also möchtet ihr eure Arbeit unabhängig von der finanziellen Situation so gut wie nur möglich gestalten? Wir haben jetzt mit sehr vielen Bands gesprochen, die von durchwegs leeren Konzerthallen und stagnierenden CD-Verkäufen berichten und damit ein sehr negatives Bild von der aktuellen Entwicklung in der Szene skizzieren. Viele große Bandprojekte brechen aus diesen Gründen nach vielen Jahren im Geschäft auseinander ... bemerkt ihr von diesem doch ziemlich tief greifenden Problem eher weniger?
Chris: Ja, sicherlich bemerken wir das genauso, dass die Plattenverkäufe einfach zurückgehen, weil der Tonträger CD nun einfach ein langweiliges Medium ist. Ich denke, da wird sich sowieso einiges in den nächsten Jahren tun müssen! Aber um auf die Situation zurück zu kommen: Um ein Album zu produzieren sind natürlich viele verschiedene Kostenfaktoren zu berücksichtigen, die da zusammenspielen. Vielleicht kann man da den einen oder anderen Kostenfaktor senken und vielleicht in wichtigere Kostenfaktoren wieder investieren. Das ist dann bei jeder Band oder sagen wir mal bei jedem Produzenten anders oder besser gesagt jeder Produzent hat da verschiedene Ansichten, wie man so ein Album gestalten kann.
Und ich denke, dass man durch viel Eigeneinsatz den einen oder anderen Faktor sparen kann. Zum Beispiel haben wir auch ein eigenes Studio, also Studio hört sich ja immer sehr hochtrabend an, sagen wir mal ein etwas hochqualitativeres Home-Recording-Studio, in dem man einige Faktoren auffangen kann. Keyboards muss ich nicht in einem Tonstudio aufnehmen, die kann ich auch bei mir zu Hause vorbereiten. Dazu braucht man keine Räumlichkeiten, um so etwas zu machen. Bequemer ist es natürlich es im Studio zu machen, aber das wäre zum Beispiel so ein Punkt, an dem man Geld sparen kann, welches ich dann lieber in ein Zug oder Flugticket investiere, damit derjenige Musiker vor Ort ist.
Da trennen sich dann natürlich so die Ansichten über Produktionen und wir machen das einfach lieber im Kollektiv und verzichten vielleicht auf den einen oder anderen technischen High-Quality-Einsatz.
Alex: Alles klar! Dann lass uns ein wenig über die bevorstehende Journey to the Crimson Dawn Tour 2012 sprechen! Den ersten Part der Tour habt ihr bereits bestätigt und Power Quest sowie In Legend werden euch dabei supporten. Wie seit ihr auf die beiden Bands gekommen?
Chris: Zu Power Quest sind wir vor allem gekommen, da wir gerade erst im November in England getourt hatten. Wir waren für sechs Shows, also eine gute Woche, in England und da haben wir auch die Jungs von Power Quest getroffen und wir kennen uns auch schon seit längerem ... die Idee schwebte schon länger in unseren Köpfen, dass wir mal was zusammen machen. Ja, dieses mal hat es sich gut angeboten! Wir freuen uns natürlich riesig, dass die Jungs extra rüberkommen, um uns für diese vier Shows, bei denen sie dabei sind, zu begleiten.
In Legend haben wir teilweise getroffen, als wir letztes Jahr in Schweden auf einem großen Festival gespielt hatten. Da waren auch die Jungs von van Canto vor Ort und das ist sicherlich auch ein Schritt aus Sympathie zu einander. Auf der anderen Seite ist es sicher auch eine Verbindung, die über unsere Agentur läuft, dass man da versucht alles unter einen Hut zu bekommen. Und vom Musikstil denke ich, dass es 'ne supertolle Sache für die Fans und sehr farbenfroh und unterhaltsam wird. Und das denke ich, ist wichtiger in den heutigen Zeiten, wie du vorhin angesprochen hast, dass alle drüber schimpfen, dass weniger Leute zu den Konzerten kommen, weniger Platten verkauft werden - da muss man halt einfach mal gucken, dass man tolle Verbindungen bekommt, um die Fans - vom Melodic Metal in diesem Fall - zu überzeugen, dass sie zu diesem Konzert gehen müssen.
Alex: Losgehen wird die Tour mit einem Benefiz-Festival, spielt ihr oft auf solchen Events?
Chris: Also wenn es uns möglich ist und wenn es sich anbietet so etwas zu machen, machen wir es natürlich gerne! Gerade wenn es um einen guten Zweck geht und wenn wir auch den Veranstalter kennen. Das ist für mich was Benefiz angeht oder was in irgendeiner Weise karitative Leistungen anbetrifft - da bin ich sehr erpicht darüber, dass ich weiß, wohin das ganze hin fließt und wer das ganze verwaltet ...
Gerade in der heutigen Zeit sollte man da einfach aufpassen und diese Bereitschaft so einen Dienst auch für einen guten Zweck zu leisten sollte man sich erhalten, aber man sollte sich einfach sicher sein, dass solche Unterstützungen auch in die richtigen Hände geraten.
Alex: Beim Masters of Rock 2012 werdet ihr auch auftreten! Hast du da schon irgendwelche Erwartungen an die Show?
Chris: Ja, dass wir ganz toll ankommen und dass ganz viele Menschen unsere Musik lieben werden natürlich![lacht]
Ist ja nicht das erste Mal, dass wir in der Tschechischen Republik unterwegs sind. Wir haben ja auch schon einige große Festivals bespielen dürfen. Wir waren z.B. letztes Jahr auf dem Metalfest in Pilsen, dann waren wir ich glaube letztes oder vorletztes Jahr - ja, ist immer schwer zu merken, die Zeit rennt so schnell vorbei - waren wir auch schon auf dem Winter Masters of Rock, welches ja auch in der Nähe des großen MoR-Festival stattfindet. Und ja, ich denke mal, gerade Leute in der Tschechischen Republik sind super metalbegeistert und wir hatten immer eine Menge Spaß mit den Leuten! Ich glaube das wird so ein Event sein, auf das wir uns bereits im Vorfeld schon unheimlich freuen werden!
Alex: Bevorzugst du denn persönlich eher die großen Bühnen mit einer riesigen Masse oder trittst du doch lieber in den kleinen Clubs auf, wo du direkten Kontakt zu den Fans hast?
Chris: Ich liebe diese Frage! [lacht]
Die wird nämlich meistens Bands gestellt, die eigentlich dazu verdammt sind in den kleinen Clubs spielen zu müssen!
Alex: Na ... nicht ganz, nicht ganz ;-)
Chris: Deswegen würde ich mal die Antwort vorziehen: „Ich liebe in kleinen Clubs zu spielen!" [lacht]
Ich glaube, wenn man diese Frage einem Bandmitglied von ACDC oder Metallica oder Van Halen stellen würde, dann wäre das berechtigt. In meinem Fall muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich doch ganz gerne mal in einem Stadion oder vor 80.000 bis 100.000 Leuten spielen würde. Das ist uns so leider bisher verwehrt geblieben ... Na gut, ich meine wir haben in Wacken gespielt und es war ein tolles Erlebnis! Aber Grundsätzlich denke ich, so ein Mittelding wäre das perfekte, dass man ab und zu so mal spielt, dann ab und zu so mal spielt.
Zumindest macht es uns nicht müde oder wir verlieren keine Energie oder Motivation, wenn wir wie in England in ganz kleinen Clubs tingeln und Montags irgendwo in einem ganz kleinen Nordenglischen Kaff spielen, indem achtzig Leute unten sind, aber die das ganze abfeiern. Es hat alles seinen Reiz, aber ich hätte nichts dagegen, wenn wir mal eine Stadiontour spielen würden!
Alex: Ihr selbst bezeichnet eure Mucke als Melodic Happy Metal, wie kam es zu dieser konkreten Orientierung als eher stark ausgeprägt lebensbejahende Band? War da irgendein Schlüsselerlebnis nötig oder kam das von ganz alleine?
Chris: Gut, ich meine so lebensbejahend, positiv und optimistisch denken kann man natürlich nicht einfach festlegen, sondern das gehört doch so zu seinem eigenen Charakter und zu der eigenen Laune irgendwie dazu. Das ist von uns aus einfach so von Anfang an entstanden. Wir haben von der ersten Sekunde an positive Musik gemacht. Wir haben von zuckersüßen Melodien bis wirklich schon auch zu heavy Riffs alles dabei. Aber auch unsere Textaussagen sollen eher motivieren, als in irgendeiner Weise depressive oder negativ orientierte Launen ausdrücken, weil wir einfach der Überzeugung sind, dass wir erstmal so drauf sind und es somit ehrlich ist. Und wir wollen einfach den Menschen, die zu unseren Konzerten kommen eine gute Zeit bieten.
Wir wollen sie unterhalten! Wir wollen, dass nach anderthalb oder zwei Stunden Konzert etwas passiert ist in ihnen, dass sie einfach vielleicht aus ihrer schlechten Laune, aus ihrem Alltag, aus irgendwelchen Problemen, die einen belasten heraus kommen. Dass sie vielleicht in der Zeit, in der sie bei unserem Konzert sind einfach vergessen können und sich darauf freuen wieder die Platte zu hören oder zum nächsten Konzert zu kommen. Ich denke so was kann man nicht planen. Man kann sich nicht im Keller zusammensetzen und sagen: „So, was machen wir denn jetzt für 'ne Band? Wollen wir eher gute Laune machen oder machen wir eher so Typo-Negativ?". Das kommt aus einem raus. Alles was man versucht künstlich herzustellen wird nicht funktionieren. Man muss einfach das machen, was so aus einem raus sprudelt!
Alex: Gab es denn über die Jahre vielleicht einen Punkt, an dem ihr euch gesagt habt, dass es so nicht weiter gehen kann und dass ihr etwas verändern müsst?
Chris: Wir hatten einige Punkte, da hatten wir gemeint etwas verändern zu müssen, weil Freedom Call von Anfang an eine Band war die unheimlich polarisiert hat. Gerade im Metalbereich ist es natürlich schwierig mit diesen auch sehr zuckersüßen Melodien und dieser Fröhlichkeit zu bestehen. Man hat halt immer gewisse Leute, die einen ein bisschen belächeln, weil man nicht böse genug nicht heavy oder nicht true genug ist - ein sehr oft genanntes Wort. Und da haben wir natürlich am Anfang schon mal so nach den ersten drei Scheiben so ein bisschen gedacht: „Mensch, ist das der richtige Weg? Machen wir das richtige? Ist es nicht vielleicht sinnvoller, wenn wir ein bisschen heavier werden oder uns ein bisschen mehr anpassen?", wo ich mich aber mit Händen und Füßen gegen gewehrt habe und gesagt habe: „Wir müssen so bleiben, wie wir einfach sind!" Eine Entwicklung, die du gerade angesprochen hast, die macht man automatisch. Dadurch, dass wir oft auf Tour sind und viele Live-Shows absolvieren, lernt man eigentlich minutiös dazu. Und ich denke, dass wir das schon in unseren Alben bereits beim letzten Album „Legend of the Shadowking" gezeigt haben, dass wir so eine gewisse Reife, die man besonders in den Arrangements und dem Song-Writing findet, erlangt haben.
Aber natürlich wollen wir Kind bleiben. Wir wollen jetzt nicht irgendwie die reifen Musiker spielen, die abgeklärt einfach irgendwelche Rock- oder Heavy-Songs schreiben. Ich denke das würde uns nicht stehen und die Entwicklung, die bei uns stattfindet, die liegt dann wohl eher auch im kreativen Song-Writing-Bereich, dass man einfach versucht die Musik noch klarer und plakativer zu gestalten, als das man seinen Musikstil ändert.
Alex: Du selbst nennst deine musikalischen Einflüsse bei Bands wie Deep Purple oder auch Queen. Wie findest du es, wenn junge Bands heute Freedom Call als ihren Einfluss nennen? Ist dir so etwas wichtig oder ist das eher eine Nebensächlichkeit?
Chris: Nein, da fühle ich mich natürlich sehr geschmeichelt! Das finde ich total cool! Ab und zu passiert es ja mal, dass ich in irgendwelchen Magazinen auch lese, dass jetzt Bands auch schon mit Freedom Call-Einflüssen verglichen werden. Ne, das macht mich super stolz! Das freut mich, dass man so weit auf jeden Fall schon gekommen ist, dass man andere Künstler mit uns vergleicht. Ja, ich kann das auch nur unterstützen, wenn jemand so was macht, weil ich denke, dass das eine sehr abwechslungsreiche Musikrichtung ist. Wir haben wirklich schnelle Titel, die mit 170 oder 175 BPM Drums los rennen über wirkliche Bang-Parts, die vom Tempo weit runter gehen und eher atmosphärisch sind bis hin zu Partysongs. Ich denke, da hat man als Künstler viel Spaß mit der Art von Musik.
Es fällt mir immer wieder auf, gerade bei Tourneen, das ich einfach nie das Gefühl habe müde zu werden, dass ich nie das Gefühl habe irgendwie das ganze satt zu haben, weil eben das Programm sehr farbenfroh gestaltet ist. Wir sind da sehr formbar und es bleibt trotz dessen immer Freedom Call! Das finde ich sehr interessant und da kann ich den jüngeren Bands, die in diese Richtung gehen, einfach nur dazu raten es zu machen! Es macht Spaß!
Alex: Du hast ja gerade einen Weg angedeutet, den ihr mit der Band beschreitet. Macht ihr dieses ganze Geschäft eher fürs jetzt und hier, also für den Moment oder verfolgt ihr eher längerfristige Ziele mit der Band?
Chris: Na gut, das weit entfernt liegende Ziel ist natürlich reich und berühmt zu werden, is' ja klar! [lacht]
Aber natürlich lebt man immer in Abschnitten mit einer Band. Und so ein ganz klarer Abschnitt ist immer die Songwriting-Periode, weil man da eigentlich emotional vollkommen die Hosen runter lässt. Man schreibt ja seine Titel auch nicht nach ausgewählten Themen, die man sich vorher auf einem Zettel notiert und sagt: „Ach, jetzt schreib ich doch mal einen Titel über das Blablabla!", sondern es kommt ja aus einem raus. Und die ganzen Songs, die ganzen Emotionen und natürlich auch die Texte sind ja letztendlich Erfahrungen, die man selber gesammelt hat oder entstammen vielleicht aus Träumen oder aus Hoffnungen. Also eigentlich ist das eine relativ intime Geschichte, die man da offenbart und das kann man natürlich nicht steuern. So ein Album, das klingt eigentlich dann auch ein bisschen oder es kann den Künstler widerspiegeln mit seiner emotionalen Verfassung, die er während dieser Songwriting-Phasen hatte.
Und ich kann das auch sehr gut nachverfolgen, wenn ich die alten oder die älteren Alben von uns anhöre. Da kann ich mich doch relativ schnell daran erinnern, wie es mir da ging in dieser Zeit, als die Songs entstanden sind. Deswegen denke ich, dass man da nicht viel in die Zukunft kalkulieren kann, weil man nicht weiß, was passieren, wie es einem gehen wird und was für neue Erfahrungen und Sachen auf die man sich freut passieren und einen dann beeinflussen. An erster Stelle steht aber natürlich, dass wir auch das Line-Up zusammenhalten, was ja nicht immer so einfach ist, wenn man keine Band ist, von der man Gehälter zahlen und von der man leben kann. Der größte Einsatz ist da natürlich der Idealismus.
Es ist mir sehr wichtig, dass wir eine Einheit bleiben und uns gut verstehen und dass man sich natürlich die Freude an der Arbeit erhält. Mehr oder weiter sollte und kann man auch nicht weiterblicken.
Alex: Jetzt kurz vor der Veröffentlichung des neuen Albums, gibt es da wenn du zurückblickst irgendwelche Songs oder Releases mit denen du nicht mehr so zufrieden bist oder bei denen du dir denkst, dass man es vielleicht hätte besser machen können?
Chris: Ja ja, das Wort "hätte" ... [lacht]
Klar gibt es immer wieder Sachen, die man jetzt mit dem Überblick und der Objektivität vielleicht ein bisschen anders gestalten würde. Aber es gibt jetzt keine Songs, bei denen ich mich vollkommen fremdschäm, wenn die irgendwo laufen oder das ich jetzt irgendwelche Titel geschrieben hätte, die ich am liebsten rückgängig machen würde. Ich denke mal, so als aller erstes würde mir auf diese Frage das Album „Circle of Life" einfallen. Das wurde glaub ich 2005 veröffentlicht. Da haben wir uns gedacht, dass ... da war eben dieser Punkt, über den wir vorhin schon gesprochen haben, dass wir uns gedacht hatten wir müssten jetzt etwas ändern und haben uns ein wenig von diesem Melodic Happy Metal verabschiedet und haben auch die Texte nicht mehr in Fantasyform geschrieben, sondern es ging teilweise auch um sozialkritische, sozialpolitische Texte.
Meiner Meinung nach hätten wir da ein wenig mehr darüber nachdenken können, ob man das so macht oder vielleicht auch den einen oder anderen Songtitel anders benennen können. Ansonsten muss ich sagen, dass ich mich nicht ganz schuldig fühle etwas groß falsch gemacht zu haben. Ja, es gibt immer Sachen, wie im Leben, die hätte man anders machen können. Hat man aber nicht! Und jetzt muss man damit klar kommen! [lacht]
Alex: Wenn wir schon bei den sozialkritischen Songs sind: Ich habe gelesen, dass du auf Politik aggressiv reagierst. Was hältst du von der aktuellen politischen Lage? Wäre es vielleicht was, diese Aggression songtechnisch rauszulassen? So eine Art „Melodic Wulff Metal" wäre als Genre vielleicht noch patentierbar ...
Chris: Also grundsätzlich sehe ich in der Musik die wir machen und in der Aussage, die wir mit unserer Musik treffen wollen, da sehe ich die Politik als gänzlichst ungeeignete Thematik für Texte, denn wir wollen ja die positive Seite des Lebens betrachten. [lacht]
Und ich verzage jetzt auch nicht und werde auch nicht mürrisch. Sie zieht mich auch nicht wirklich runter die Politik. Es sind halt einfach Sachen, die mich ärgerlich machen und je mehr ich mich da reinsteigern würde, umso mehr wäre ich wahrscheinlich wohl ein recht unglücklicher und kein Happy-Mensch, der ich sein möchte. Ich denke, die Politik hat in unserer Musik nichts zu suchen! Man kann natürlich immer mal wieder irgendwelche Weltrettungs - oder Armageddon-Themen mit einfließen lassen, aber dass man wirklich auf das gegenwärtige politische Geschehen eingeht ... da sind andere Künstler weitaus mehr geeignet und ich vermute, dass auch allein dadurch, dass wir nicht in unserer Muttersprache sondern auf englisch texten, einem da dann vielleicht die eine oder andere Zeile oder das eine oder andere Wort fehlt, um sich wirklich ausdrücken zu können, um wirklich seine Gefühle oder auch um seinen Missmut über gewisse Themen auszudrücken. Das ist dann auch für mich das wichtigste, dass man die Wortgewandtheit beherrscht das interessant auszudrücken oder auch auf den Punkt zu bringen. Und deswegen würde ich so etwas lieber Leuten wie zum Beispiel Sting oder Bono überlassen. Die machen das viel besser!
Alex: Auf eurer Website ist ja Daniel Zimmermann noch immer als Gesellschafter der Freedom Call GbR aufgeführt, hat das etwas zu bedeuten oder ist das einfach noch nicht aktualisiert worden?
Chris: Ich glaube das liegt einfach an meinem Fehlen von IT-Kenntnissen, weil ich die Website selbst nicht ganz beherrsche und unsere Webmasterin sich gerade auf Weltreise befindet. Ich versuche es natürlich immer soweit zu aktualisieren, wie es möglich ist, aber ich finde es macht auch gar nichts aus, denn Daniel ist ja nicht nur ein Bandmitglied gewesen, sondern er ist immer noch einer meiner besten Freunde. Wir verbringen auch so viel Zeit mit einander und auch wenn er schon fünf oder sechs Jahre irgendwann nicht mehr dabei ist, wird er immer zu Freedom Call gehören. Das ist für mich jetzt eigentlich überhaupt gar kein Problem.
Aber du hast natürlich Recht, man sollte es aktualisieren und ich werde da mein Bestes geben, um da mal eine Grundreinigung durchzuführen was so sämtliche Informationen auf unserer Website anbetrifft. Aber Daniel wird immer zu Freedom Call gehören, da wird sich nichts ändern.
Alex: Ja, es hatte mich bloß etwas verwundert, dass er noch vermerkt ist und vielleicht wäre das ja ein Zeichen dafür, dass er irgendwann wieder einsteigen möchte ...
Chris: Nein, ich denke nicht ... mit den Gedanken ist er immer dabei! Er fragt auch immer nach, wie es läuft und er hat mich auch im Studio ab und zu besucht. Er ist da mit dem Herzen natürlich sehr dabei und es ist ihm sicherlich sehr schwer gefallen sich davon zu trennen, aber es hätte auch keinen Sinn gemacht, wenn man halbe Sachen gemacht hätte. Wenn er sich immer noch eingebracht hätte, wäre das nicht das Ding gewesen!
Wie schon gesagt, auf der Website darf er noch von mir aus verewigt bleiben, auch wenn er schon nicht mehr dabei ist. Aber du hast Recht, der Ordnung halber sollte man das schon mal regeln.
Alex: Was steht sonst noch außer der neuen CD und der Tour für die Zukunft der Band an? Was kannst du uns da erzählen?
Chris: Ja, im Moment stehen diese Sachen im Vordergrund! Es sind viele Sachen noch zu tun, die Tour muss vorbereitet werden und ich versuche jede Tour so ein bisschen zu expandieren. Das heißt wir nehmen auch immer ein paar mehr Crew-Mitglieder mit, dass das ganze ... wir versuchen, dass wir mal so langsam eine richtige Band sind![lacht]
So wie halt die richtigen Rock'n'Roll-Bands mit ihrem Hausmischer und mit Backliner los ziehen ... und ja, mehr können wir uns im Augenblick noch nicht leisten, aber das ist schon mal ein großer Schritt nach vorne! Das bedarf auch alles viel Organisation, dass man mal die Bühne ein weniger schöner aussehen lassen kann, dazu braucht man natürlich diese Backdrops.
Oder einfach auch ein paar Ideen und Innovationen sammeln. Das Video steht auch an, da ist sehr viel zu organisieren und dann geht's ja bald mit der Tour los! Das sind eigentlich so die Sachen, die ich erstmal im Fokus habe. Dann hat unsere Plattenfirma auch noch ein paar Ideen, auch in Amerika soll eine Single veröffentlicht werden, was ich erst gestern erfahren habe. Das hat mich sehr gefreut, dass da Amerika sich auch engagiert etwas zu machen. Gerade in diesem Musikbereich ist es ja immer schwierig Partner zu finden, die da aktiv werden.
Es ist halt sehr viel Organisationszeug und da habe ich nicht sehr viel Zeit mich noch um anderes zu kümmern. Grundsätzlich wird die Tour, die jetzt mit dem Schwerpunkt im März und April ansteht, noch weitergehen. Wir haben das ganze Jahr 2012 für Touraktivitäten eingeplant und es wird bestimmt noch ein wenig ins nächste Jahr überlappen. Zu dem Thema, dass wir ganz am Anfang hatten, was die Finanzierung und die finanziellen Mittel anbelangt, versuchen wir das alles möglich zu machen. Und es wäre vielleicht ein großer Fehler, wie es vielleicht manche Bands machen, dass man einen großen Nightliner und eine große Crew bucht. Damit kommt man finanziell auch sehr schnell ans Limit. Wir setzen uns da noch wirklich in so einen Mehrsitzbus und fahren nach Schweden. Das gleicht zwar teilweise einer Klassenfahrt, macht aber unheimlich viel Spaß, weil man viel mehr Sachen erlebt. Aber man sitzt halt wirklich in diesem Kleinbus - mit Kind und Kegel sitzt man da drinnen und es ist sehr, sehr eng! Es riecht auch teilweise nicht sehr gut! [lacht]
Aber es macht mega Spaß! Und man kann viele Sachen ermöglichen, die dann wiederum viel Organisation ersparen, da keine Agentur, keine Tourleiter oder Stagemanager zu Einsatz kommen. Das machen wir alles selber. Wir arbeiten viel mit Freunden zusammen, es sind viele Gefallen, die wir uns gegenseitig zuschanzen und müssen dafür dann nicht immer den Geldbeutel aufmachen. Und ich denke, dass das einen vielleicht in so einer Gemeinschaft eher weiterbringt, als gleich mit großen Geschützen aufzutauchen, um vielleicht letztendlich vor hundert Leuten irgendwo in Malmö oder so zu spielen. Wir versuchen das halt so alles möglich zu machen und ja, da sitzen wir alle dran und überlegen uns Sachen, wie man das machen kann. Das füllt schon so einen Tag aus.
Alex: Wir kommen so langsam zum Ende des Interviews, hast du vielleicht noch ein letztes Schlusswort an die Fans?
Chris: Na klar! Natürlich, dass alle Fans ganz bald und schnell ihre Tickets vorbestellen, damit wir volle Hallen haben und damit es tolle Shows werden können! Und ihr werdet euch sicher nicht darüber ärgern das gemacht zu haben, denn es wird wieder überall tolle Happy-Metal-Partys geben! Und natürlich, das liegt uns am meisten am Herzen, dass ihr alle unser neues Album lieben werdet! Ich bin davon überzeugt! Es sind wieder tolle Sachen dabei und ich hoffe, dass uns alle die Stange halten!
Alex: Vielen Dank Chris, dass du dir die Zeit für dieses wirklich sehr ausführliche Interview genommen hast! Wir wünschen euch alles Gute für die Veröffentlichung der neuen Scheibe und auch alles Gute für die anstehende Tour!
Moderation: Alexander Kipke

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