Ja ist denn das zu fassen, damit hat wohl niemand mehr gerechnet: Das deutsche Rock-Urgestein Bonfire, an denen in den späten Achtzigern wohl kaum einer vorbei konnte, hat die Aufnahmen von ihrem legendären - aber auch einzigen - Wacken-Auftritt aus dem Jahre 1998, durch Zufall wieder gefunden. Was genau passiert ist, könnt ihr in unserem Interview mit Bonfire-Sänger Claus Lessmann nachlesen, nur soviel am Rande: Ab und zu schadet es nicht, ein wenig Auszumisten und bei manchen Dingen einen genaueren Blick zu riskieren. Nachdem die Songs klanglich auf Vordermann gebracht wurden, kam man natürlich um eine Veröffentlichung nicht herum. Das nachfolgende Review gewährt Euch einen detaillierten Blick auf den Live-Mitschnitt:
Frenetisch wird die Band - die damals, neben dem harten Kern Claus Lessmann und Hans Ziller, noch aus Chris Lausmann an der zweiten Gitarre sowie den Keys, Uwe Kohler am Bass und Jürgen Wiehler an den Drums bestand - vom Publikum erwartet. Nach einem kurzen Intro legt das Quintett mit dem Kracher "Wake Up", vom kurz vorher erschienen Longplayer "Rebel Soul", ab. Ein grandioser Opener, der die Band schon jetzt in ausgelassener Spiellaune zeigt. Nicht minder beeindruckend geht es mit "Never Mind" weiter, dass ja schon einige Zeit als Youtube-Video im Internet kursiert. Kann man sich zur optischen Untermauerung durchaus mal ansehen. Und natürlich wird auch anschließend munter weitergerockt, und kaum ein Knaller aus ihrer 13-jährigen Bandgeschichte ausgelassen, wie das wuchtige "Sweet Obsession" mit seinem genialen Gitarrensolo, das groovende "SDI" mit einer Drum-Solo-Überleitung zu dem ohrwurmbehafteten "American Nights" und dem Stomper "Ready 4 Reaction".
Kritik von: Michael Voit
Dabei präsentieren sie die Nummern teilweise in neuem und erfrischendem Gewand. Sogar "Sword And Stone" vom Soundtrack zu Wes Cravens Film "Shocker" wird runtergerotzt, dass dem Publikum vermutlich die Kinnladen nach unten geklappt sind. Dabei legt die Band eine Spielfreude an den Tag, dass gelegentliche Fehltritte, dem Spaß nicht den geringsten Abbruch tun. Nebenbei lockern sie das Set noch mit Johnny Wakeman's "In Zaire" und dem Billy Squier-Hit "The Stroke" auf, dem die Live-Präsenz sichtlich gut tut und seine 17 Jahre kaum anzumerken sind. Claus Lessmanns Stimme wird dabei mit jedem Song stärker, und man wünscht sich, dass das Set noch ein wenig länger dauern würde, als die vorliegenden zwölf Titel. Den Abschluss bildet "Champion", womit endlich Klarheit besteht, dass Bonfire in Wacken das Hauptaugenmerk auf das 1987er Album "Fireworks" gelegt haben. Danach hört man das ausgelassenen Publikum nochmal ihre Helden feiern um sie zu einer eventuellen Zugabe zu bewegen: wie wenn sie es gewusst hätten, dass die Truppe so schnell nicht wieder kommt. Umso glücklicher können sich alle schätzen, die bei diesem Ereignis live dabei waren.
Eigentlich ist es eine Schande, dass die Jungs bis dato nicht mehr aufs Wacken Open Air eingeladen wurden, aber vielleicht sehen wir sie in Zukunft bald mal wieder. Dann können die Mannen wieder zeigen, was immer noch in ihnen steckt. Abgerundet wird das Album mit fünf neuen Live- bzw. Studio-Tracks, wie "Let Me Be Your Water", "Black Night" und "The Räuber" von der gleichnamigen 2008er Rock-Oper, die bis dato noch nicht den Weg auf eine Live-Aufnahme fanden. Oder aber auch dem unveröffentlichen "Thank you" und einem 8-Minuten-Mix von "Hold Me Now", das ursprünglich auf dem Album "Branded" von 2011 vertreten war. Ob man's braucht ist Ansichtssache, ich persönliche finde Bonus-Tracks auf einem Live-Album immer etwas störend, da die Scheibe dann nicht mit dem Schlussstück endet, sondern von Bonus-Features erdrückt wird und zu etwas mutiert, was es nicht ist und dabei den Gesamteindruck trüben kann. Aber ein definitiver Pluspunkt ist, dass das Konzert auch auf Vinyl zu haben ist, dem bei den gegebenen Soundverhältnissen aber nicht unbedingt der Vorrang gegeben werden muss.
Fazit: Atemberaubender Live-Mitschnitt des einzigen Besuches der Ingolstadter Rock-Haudegen Bonfire auf dem Wacken Open Air. Die bajuwarischen Hard Rocker reißen sich in Wacken sprichwörtlich den Arsch auf und das Publikum dankt es ihnen mit lautstarken Beifallsgesängen. Sie spielen fast alle Hits wie Klassiker, einziger Kritikpunkt ist der etwas zu matschige Sound, welcher aber angesichts der einzigartigen Veröffentlichung in diesem Fall verschmerzt werden kann und darf. Für alle Bonfire-Fans sowieso ein Muss, für alle Frischlinge eine gute Gelegenheit in das Universum von Bonfire einzutauchen, und dabei Zeuge ihrer Live-Qualitäten zu werden.
Anspieltipps: Wake Up, Never Mind, The Stroke, Sword And Stone, SDI
Score:
83% Hervorragend!
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