Ein jeder, der tagtäglich die Nachrichten über das Fernsehen, Tageszeitungen, Boulevardmagazine oder irgendwelche subversiven Internetseiten verfolgt, wird sich an die täglich vermittelten Hiobsbotschaften sicherlich gewöhnt haben. Jeden Tag flimmern irgendwelche schockierenden oder auch deprimierenden Bilder über die Mattscheibe, sodass man das Gefühl bekommen könnte, dass die Nachrichtenagenturen eine gewisse "Schreckquote" erfüllen müssten: Kriege hier, Terroranschläge dort, politisches Sodom und Gomorrha drüben.
Aktuell sind ja zum Beispiel die Proteste in der Türkei ein ständig ausgeschlachtetes Thema. Vermummte Demonstranten, böse Polizisten, welche diesen die Köpfe einschlagen, uneinsichtige Politiker und bemitleidenswerte, aber ach so mutige Reporter werden uns direkt ins Wohnzimmer geliefert. Jeder hat seine klare Rolle in dem Schmierentheater, welches ein Stück namens Politik 24/7 auf die Bühne kloppt. Doch ist es wirklich so? Ist wirklich jeder Demonstrant, der auf dem Taksim-Platz herumlungert ein bewundernswerter Verfechter der Demokratie? Ist jeder Politiker, der eine scheinbar unpopuläre Entscheidung trifft gleich ein Diktator?
Es hängt alles von der Perspektive ab! Wie schon Francis Rossi von Status Quo treffend feststellte: „We live in relativity!“ Wer nicht differenziert und immer nur das brav denkt, was ihm die Medien oder sein soziales Umfeld eintrichtert, der wird im Leben nie eine eigene Meinung oder eine eigene Perspektive auf die ihn umgebende Welt bilden können. Und vor allem bei Musikern ist es wichtig, dass sie mit ihrer Musik Stellung beziehen. Vielleicht nicht direkt politisch oder sozialkritisch, aber Stellung zu den anderen Lebensbereichen.
Auch der Schlagzeuger der deutschen True Metal-Band Wizard - Sören van Heek - hat für uns Stellung zum aktuellen politischen Geschehen in der Welt bezogen und dabei sogar vielleicht den einen oder anderen Horizont erweitert. Ganz nebenbei gibt es für die Neuentdecker unter euch noch ein paar Infos zur musikalischen Stilistik der Band und natürlich zum neuen Studioalbum.
Viel Spaß beim Lesen!
Das Interview:
Alex: Hallo Snoppi! Wie ist das allgemeine Befinden?
Snoppi: Zwiespältig, danke sehr. Und selber? Gut geschlafen? :-P
Alex: Aber sicher doch, danke der Nachfrage! Bist du persönlich am tagtäglichen Weltgeschehen interessiert, oder zählst du dich eher weniger zu den regelmäßigen Nachrichtensehern?
Snoppi: Doch, ich bin schon am Weltgeschehen interessiert. Aber bestimmt auch kein Experte auf jedem Gebiet.
Alex: Wie findest du denn zum Beispiel die aktuelle Lage in der Türkei?
Snoppi: Für mich nicht so ganz leicht nachzuvollziehen. Im Grunde demonstrieren die Leute dafür, einen Park nicht zu schließen. Ist ja eigentlich nicht so wild, sollte man meinen. Und nur weil Herr Erdogan nicht möchte, dass demonstriert wird, fährt er harte Geschütze auf. Dadurch wird der Protest nur noch größer. Wie ich so am Rande mitbekommen habe, hat Herr Erdogan so einiges in der Türkei bewegt und erreicht – vom Arbeiter hochgearbeitet zum Cheffe – und es wäre wirklich komisch, wenn er über so eine „Affäre“ stolpern würde, was ich aber nicht glaube.
Aber das erschreckende daran finde ich, wie sehr sich Politiker an ihre Macht klammern und diese auch ausüben, wenn es ernst wird. Das Gleiche ist ja auch mit den Diktatoren des Arabischen Frühlings gewesen, obwohl man den Arabischen Frühling ja jetzt nicht gerade mit den Ereignissen in der Türkei vergleichen kann. Herr Erdogan will halt alles bestimmen, sonst wird er böse. Und harmlose Protestanten als Terroristen zu bezeichnen und zu behandeln finde ich schon sehr dreist. Ich denke, er schadet damit dem Ansehen der Türkei (was für eine blöde Redewendung), auch in der Bevölkerung, und den Verhandlungen für den EU-Beitritt dürfte das nicht gerade förderlich sein, könnte ich mir vorstellen.
Alex: Können wir Deutschen, die ja überwiegend in guten Verhältnissen leben, die politische oder auch gesellschaftliche Lage solcher Länder überhaupt verstehen?
Snoppi: Bezogen auf Nicht-Christliche Staaten wie Iran, Irak, Pakistan etc.: Ganz klares NEIN. Ich habe eine kurze Zeit lang in Pakistan gearbeitet. Genauso gut könnte ich sagen: ich habe ein Zeitlang auf dem Mars gearbeitet. Man kann sich nicht vorstellen, WIE anders die Kultur in solchen Ländern im Vergleich zu christlichen, westlichen Ländern ist. Vergiss Fernsehen oder Zeitungsberichte, es gibt dort einfach ganz andere Wertvorstellungen.
Da sind ja schon viele drüber gestolpert: Die Soldaten im Irak-Krieg wussten zum großen Teil angeblich nicht, wie man Hausdurchsuchungen so durchführt, dass man die Familien nicht entehrt oder herabwürdigt. Letztens hat doch diese oben-ohne-Feministin in Tunesien (war’s Tunesien?) demonstriert und wurde eingelocht, und von den Feministen in Tunesien hat sie noch einen auf den Deckel bekommen, sie solle doch deren Arbeit bitte nicht kaputt machen. Also nicht alles, was gut gemeint ist und im Westen funktioniert, kann man einfach so auf die östlichen Länder projizieren. Das ist eine ganz schwierige Sache.
Die Türkei ist natürlich so ein „Zwischending“. Es gibt genug Türken in Deutschland, so dass ich die eigentlich gar nicht als „fremd“ bezeichnen würde. Also nicht viel fremder als Italiener oder Spanier oder so. Trotzdem ist die Türkei ja im Unterschied zu diesen Ländern muslimisch (wenn auch laizistisch), was halt andere Gewohnheiten mit sich bringt.
Alex: Wenn du die Möglichkeit hättest politisch ein Zeichen zu setzen oder etwas halbwegs
Realistisches zu verändern, was würde das sein?
Snoppi: Im Großen und Ganzen bin ich ja eigentlich doch zufrieden, wie wir hier in Deutschland leben können. Wenn ich eine Kleinigkeit ändern könnte, wäre es folgende:
Mir geht es voll auf den Senkel, wenn sich Politiker wie im Kindergarten benehmen. Kaum sitzt ein Volksvertreter in einer Diskussionsrunde oder wird zu irgendeinem Thema gefragt, wird erst einmal klargestellt, wie gut man selber ist und wie scheiße die anderen sind. Keine Antwort ohne den politischen Gegner an den Pranger zu stellen. Petzen wie im Kindergarten. Fürchterlich. Peinlich. Spezies sind z.B. Frau Roth, Frau Nahles, Frau Künast und ach, noch zig mehr (ganz unabhängig von der Partei).
Ich würde mir wünschen, dass diese Politiker mal bei einem Thema bleiben und einfach nur versuchen, das Beste für die Bevölkerung rauszuholen. Und wenn eine Lösung vorgeschlagen wird, dann muss die ja nicht sofort schlecht sein, nur weil sie vielleicht eher zu einer anderen Partei passt. Wieso wird dann nicht gesagt: Ja, der Vorschlag hört sich eigentlich vernünftig an, wir diskutieren das Mal, könnte klappen, gar nicht so doof … etc. Mir als Bürger geht es doch nur um die Sache, und nicht darum, welche Partei das jetzt umsetzt. Mir doch wurscht, ob eine gescheite Gesundheitsreform jetzt von den Linken oder der CSU gemacht wird, solange sie Hand und Fuß hat.
Alex: Seid ihr mit Wizard eine Band, die mit ihren Songs auch zu politischen Themen bewusst Stellung bezieht?
Snoppi: Nein, sind wir bisher nicht. Auf dem neuen Album gibt es vielleicht unterschwellig ein paar Messages, aber bisher waren wir ja eher in der Fantasy-Ecke zu Hause.
Alex: Eure Musik wird im Allgemeinen als Power Metal, Speed Metal, Heavy Metal und auch als Viking Metal kategorisiert. Würdest du dem persönlich so zustimmen?
Snoppi: Puh, ich denke schon, ja. Für mich als eher älteren Metaller gibt’s eigentlich nur die alten Kategorien: Hardrock, Heavy Metal, Thrash, Black, Doom und Poser-Metal, hahaha. Also wir haben immer gesagt, wir machen Heavy Metal. Fertig.
Alex: Wie wichtig ist es überhaupt, sich mit seiner Musik innerhalb gewisser Genregrenzen zu bewegen? Man kann ja nicht mit jedem Album eine 180°-Wende im musikalischen Stil der
Band durchführen …
Snoppi: Nee, 180 Grad geht nicht, das geht außer bei Metallica (leider) glaube ich auch bei keiner Band. Trotzdem denke ich, dass wir auf jedem Album eine durchaus andere Stimmung haben. Natürlich liegt das auch am jeweiligen Sound. Aber wir haben schon einen gewissen Freiraum, in dem wir uns bewegen können. Die letzten beiden Alben waren z.B. relativ hart, das nächste wird voraussichtlich wieder ein bisschen softer.
Grundsätzlich finde ich es bei anderen Bands schon schön, wenn die innerhalb ihrer Grenzen mal ein bisschen was ausprobieren. Aber es gibt auch Bands, da wünschte ich mir, dass die immer die gleichen 4 Songs bringen, z.B. Slayer. Das würde nie langweilig, hahaha.
Alex: Unter dem Titel „...Of Wariwulfs and Bluotvarwes“ ist 2011 euer bisher neustes
Studioalbum erschienen. Wann können die Fans mit neuem Songmaterial rechnen?
Snoppi: Wir werden am 27.09.2013 unser neues Werk „Trail of death“ in die Läden bringen (lassen).
Alex: Dieses Jahr ward ihr als Support Grave Digger auf ausgedehnter Tour unterwegs. Wie lief es? Gab es irgendwelche besonderen Momente oder Ereignisse?
Snoppi: Es war mal wieder super. Wir haben ja auf der Tour umständehalber mehr mit den Vorbands zu tun gehabt als mit der Hauptband und obwohl wir Gun Barrel und Majesty (bzw. Tarek) vorher ja schon kannten, haben wir uns auf der Tour wirklich sehr gut angefreundet. Wir können es schon gar nicht mehr erwarten, im Oktober die Tour fortzusetzen. Die Idioten von Gun Barrel sind einfach ZU geil, hahaha. Schade, dass Majesty nicht mitfahren werden, da die dann mit Powerwolf auf Tour sind. Dafür werden dann Paragon mitfahren, die wir auch schon sehr lange kennen, was bestimmt auch geil wird. Anekdoten gibt’s zu Hauf, würde aber hier den Rahmen sprengen, echt jetzt!
Alex: Ihr werdet im Verlauf des Jahres mit Grave Digger wieder on Tour gehen. Was erwartest du von den Shows?
Snoppi: Och, wenn’s so wird wie im Februar, dann wird alles gut. Ich hoffe, dass die Fans Spaß haben und dann evtl. auch ein bisschen Merch von uns kaufen, damit wir die Kosten wenigstens so halbwegs wieder reinkriegen. Aber das wichtigste ist natürlich der Spaß! METAL!
Alex: Und was macht für dich einen perfekten Auftritt aus?
Snoppi: Für mich als Drummer jetzt? Wenn ich nicht auf einem 3 Meter hohen Drumriser einen halben Meter unter glühend heißen Oldschool Lampentraversen (statt LED) spielen muss und mir den halben Nacken verbrenne, hahaha.
Nee, ich finde eine gute Live-show lebt von der Interaktion zwischen Band und Publikum. Also bei uns auf jeden Fall, bei Prog-Bands mag das anders sein. Wenn wir zusammen Party machen können, der Sound geil ist, alle schön zusammen mitsingen und dabei den Alltag ein bisschen vergessen können, dann ist alles gut.
Alex: Was kannst du uns im Allgemeinen über das Leben on Tour berichten? Viele Fans stellen es sich ja als reinste Orgie vor, wie viel Wahrheit steckt dahinter?
Snoppi: Ich will da keinem die schöne Illusion nehmen, hahaha. Natürlich gibt’s genug Orgien für jeden … Bis auf die Drummer natürlich. Die müssen immer am meisten aufbauen, abbauen, Zeugs schleppen, das Bandmobil fahren, Organisieren, Planen etc., etc. Dafür sieht man sie dann auf der Bühne nicht, weil sie ganz hinten sitzen, hahaha.
Also im Grunde genommen: Es hält sich die Waage zwischen Arbeit und Vergnügen. Im Endeffekt brauchst du trotzdem danach Urlaub.
Alex: Jack Black sagte mal, dass ein Konzert die Welt verändern kann. Was hältst du davon?
Würdest du dem zustimmen?
Snoppi: Hm. Nee, glaube ich eher nicht. Was sollte das für ein Konzert sein? Wacken? Nicht mal ein Syrienkrieg mit über 100.000 Toten ändert die Welt. Da rührt sich in der Arabischen Welt überhaupt nix und im Westen auch nicht, da gucken alle nur blöd zu. Wie sollte dann ein Konzert die Welt verändern, wo es da doch „nur“ um Party geht?
Alex: Was ist überhaupt die Aufgabe von Musik in unserer heutigen Gesellschaft? Soll sie einfach nur unterhalten, oder auch eine Art Status Quo aufzeigen?
Snoppi: Es gibt solche und solche. Will ich Musik hören, um Party zu machen oder will ich Musik „lesen“, indem ich mich mit den Texten auseinander setze und innerlich bestätige oder ablehne? Oder will ich einfach nur romantisch ne Schnulze hören und in den Nachthimmel gucken – wo dann vielleicht auch Liebestexte geil kämen, ich denke da z.B. an Misplaced Childhood oder sowas?
Es hat auf jeden Fall jede Richtung ihre Daseinsberechtigung und ob das jetzt eine „Aufgabe“ ist, muss wohl jeder Hörer für sich entscheiden.
Alex: Bis auf Gitarrist Dano Boland besteht das aktuelle Line-Up (mit einer Pause von Michael Maass) aus Mitgliedern, die seit 1989 dabei sind. Wie kommt es, dass die Besetzung so
stabil ist?
Snoppi: Wahre Freundschaft ist halt so. Warum sollten wir uns gegenseitig rausschmeißen? Mit Dano habe ich vor Wizard auch schon Musik gemacht (Volker, Dano und ich). Also war Dano im Endeffekt auch schon immer ein halber Wizard. Ich kenne so aus dem Stehgreif keine Band, die ein so stabiles Line-Up hat wie wir. Das macht einen schon ein bisschen stolz. Wir lieben uns halt, hahaha.
Alex: Ist das eher vorteilhaft für den kreativen Prozess, oder würde das eine oder andere neue Bandmitglied frischen Wind in die Songs einbringen?
Snoppi: Ach, die Richtung ist doch seit über zwanzig Jahren klar, die wir machen wollen, da wird’s keine Überraschungen mehr geben. Mit Dano kam natürlich schon ein frischer Wind in die Band, er brachte ein bisschen mehr thrashige Sachen mit, was ich sehr gut fand. Das hat uns ein bisschen mehr Spielraum gegeben.
Aber im Endeffekt müssen wir ja zusammen abhängen und das ist für uns das wichtigste. Ganz blöd gesagt, könnten wir mit uns fünf auch einen Skatclub oder eine Strickgruppe aufmachen, aber wir spielen nun mal zufällig jeder ein Instrument und finden Metal geil. Warum dann nicht einfach 'ne Band gründen?
Alex: Was steht sonst noch für eure Zukunft an?
Snoppi: Die Aufnahmen zum neuen Album liegen bei Achim Köhler, der sie mischen wird. Dann kommt demnächst eine Fotosession mit Jochen van Eden und der normale Wahnsinn, der so vor einer Veröffentlichung stattfindet, nimmt seinen Lauf. Ich hoffe, den Fans gefällt unser neues Album. Dann kommt natürlich noch die German Metal Attack II mit Grave Digger, Paragon und Gun Barrel, und auch noch ein paar Einzelkonzert, auch in Holland. Es passiert noch einiges in diesem Jahr.
Alex: Hast du noch ein letztes Schlusswort an die Fans?
Snoppi: Liebe Fans: Immer locker bleiben! Wenn ihr auf dem Laufenden bleiben wollt, besucht uns gerne auf und natürlich auf unseren Konzerten!
METAL!
Moderation: Alexander Kipke
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