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Interview: Hyrax

mit Felix Piccu vom 16. Oktober 2013 via Mail
Was sollte man als junge Band so alles beachten, wenn man mit seiner Truppe gerade voll durchstarten und das erste Album auf den Markt schmeißen möchte? Sollte man es so massen-tauglich wie möglich gestalten, oder doch lieber einen genregezielten Start hinlegen? Oder besser gefragt: Macht es mehr Sinn direkt die große, aber vielleicht auch weniger treue Masse zu attackieren, oder setzt man erst mal auf ein kleines, aber sehr treues Publikum? Oder kann man dabei irgendwie einen Mittelweg beschreiten?
Um Antworten auf diese Frage zu finden, sprachen wir mit Sänger und Gitarrist Felix Piccu von der deutschen Alternative Metal-Band Hyrax. Er berichtet uns von ihrem frisch erschienen eigenen Debütalbum "Over The Edge", von den Reaktionen derr Fans und natürlich von all der Arbeit, die die Truppe in die Scheibe gesteckt hat.
Außerdem gibt uns Felix einen kleinen Einblick in das Leben on Tour - aktuell haben die Jungs J.B.O. als Support unterstützt, von dem viele Fans bis heute annehmen, dass es nur aus Sex, Drugs und Rock'n'Roll besteht. Oder ist dieses Klischee doch wahr? Lest einfach selbst!
Viel Spaß dabei!

Das Interview:

Alex: Grüß dich Felix! Was macht das Tourleben?
Felix: Hey Alex. Rock'n'Roooohll! Es macht einen Riesen-Spaß! Wir waren zwar letztes Wochenende völlig übertrieben lang im Bus gesessen, weil wir aus dem tiefen Franken in den hohen Norden düsen mussten mit vollbeladenem Bus, aber der Rock'n Roll ist schließlich kein Lehnstuhl!
Alex: Viele Fans stellen sich das Leben on Tour im Allgemeinen als die reinste Orgie vor. Wie ist es wirklich?
Felix: Naja, wie denn sonst? Klar, nach ein paar Mal benötigt man selbst in unserem Alter die kleinen blauen Pillen. Aber in den meisten Venues gibt’s hinter der Bühne schon Kaugummi-Viagra-Spender, wo man sich gegen eine kleine Gebühr für die kommende Nacht eindecken kann. Insofern alles halb so wild. Außerdem haben wir mittlerweile ein Endorsement-Deal für Viagra angefordert – als Antwort auf die günstigen Viagra Angebote per Mail... bislang ist aber leider noch keine Antwort gekommen :(
Alex: Habt ihr irgendein Ritual, bevor ihr die Bühne stürmt?
Felix: Wir stellen uns alle zusammen, und türmen die Arme auf des Nachbarn Schulter und schreien einen geheimen Spruch, der uns alle so richtig anspornt, den letzten Rest Energie auf der Bühne zu verstrahlen. Welchen darf ich Dir natürlich nicht verraten ;)
Alex: Am 4.10. ist euer Debüt "Over The Edge" erschienen. Wie waren die bisherigen Reaktionen von Presse und Fans?
Felix: Also bisher durchweg positiv. Wir sind jetzt keine Redakteur's-Darling, aber zumeist findet's eigentlich niemand so richtig scheiße. Bei den Fans scheint's auch gut anzukommen. Wir sind ja grade auf Tour und bekommen auch nur gutes Feedback, unterschreiben auf vielen Brüsten und Ärschen – was will man mehr. Na gut, es wäre schön, wenn's nur enthaarte Brüste wären, aber man kann schließlich nicht alles haben.
Alex: Wie seid ihr beim Songwriting vorgegangen? War es ein strukturierter Prozess, oder habt ihr solange gejammed, bis es gut klang? Was entsteht zuerst: die Musik, oder die Lyrics?
Felix: Letztlich entstehen alle Songs immer am Stück. Es wird eine Idee entweder verfasst oder aus dem Geiste gegriffen und sofort aufgenommen und mehr oder weniger fix und fertig gemacht. Mir persönlich fällt es äußerst schwer, mich im Nachhinein in so eine extreme emotionale zurück zu versetzen. Folglich hat die Erfahrung ergeben, Songs gleich zumindest grob fertig zu formulieren. Aufhänger für 'nen Song ist immer eine Hook, das kann sowohl eine markante Textzeile oder auch ein Riff sein.
Alex: Versucht ihr auf der Platte so authentisch wie möglich, sprich wie als Live-Band zu klingen, oder tobt ihr euch da doch lieber mit Elementen aus, die dann live nur begrenzt umsetzbar sind?
Felix: Bei unserem Album war es uns wichtig, unseren Live-Charakter möglichst authentisch umzusetzen. Wir hören oft, dass wir eine sehr kraftvolle und überzeugende Liveband sind und das wollen wir natürlich auch bestmöglich auf CD festhalten. Insofern haben wir unsere Amps mit ins Studio genommen, die wir auch live verwenden, haben die so laut aufgedreht, bis wir das Gefühl hatten, gut zu spielen und haben einfach unser aller Bestes gegeben. Und dabei kam dann die aktuelle Scheibe dabei raus. Zwar ist das deutlich anstrengender, wenn man tatsächlich „live-ig“ und headbangend im Studio performed, aber wie oben schon gesagt: Der Rock'n Roll ist kein Lehnstuhl.
Alex: Was war für euch die komplizierteste oder anstrengendste Station während des Produktionsprozesses?
Felix: Es war vermutlich die Woche, in der die Seuche im Studio rumging. Wir alle waren fürchterlich krank während unser Trommler Matthias alias Mel B. die Songs eingeklopft hat. Außer Matthias selbst komischerweise. Ein geballter Haufen Elend saß also in der Regie und hat hustend und rotzend Anweisungen und Verbesserungsvorschläge ins Talkback geschnupft.
Alex: Gibt es einen roten Faden, bzw. eine konkrete Message, die die Scheibe dominiert?
Felix: Ich denke schon. Sowohl musikalisch als auch textlich. Musikalisch stehen bei uns ja immer die dicken Eier im Vordergrund. Wenn Du Dich jetzt fragst, was das bedeuten soll, werf' ich einfach mal die Begriffe Ozzy, Sevendust und Rob Zombie in den Raum – jetzt sollte die musikalische Attitüde „Eier“ klar sein ;-) Textlich geht es – wie man aus dem Cover vermuten könnte – um Herzschmerz – dennoch Lebensbejahend. Die melancholischen Texte soll immerzu einen positiver Vibe mit durchschimmern. So hart und schlimm das Leben manchmal sein mag - am Morgen geht die Sonne auf.
Alex: Mit „Trouble in the Maiden's Quarter“ und „Tasting Pain“ habt ihr bereits zwei EP's veröffentlicht. Wie hat sich euer Sound von TITMQ bis zur aktuellen Scheibe gewandelt?
Felix: Ich glaube der Sound ist deutlich dreckiger und ehrlicher, vielleicht sogar erdiger und mächtiger geworden. Den Zugewinn an musikalischer Reife sollte man vermutlich auch nicht verschweigen. Wir sind seit den letzten EPs ja auch älter geworden, das hört man schon. An den Texten, an der Attitüde, an der Einstellung zur Musik. Der Sound ist natürlich auch insofern anders, als dass wir alle EPs selbst produziert, aufgenommen und gemischt haben und das Album von einem völlig anderem Studioteam aufgenommen und gemischt worden ist. Das spielt natürlich auch mit in die Veränderung des Sounds hinein.
Alex: Wie wichtig ist es, sich musikalisch innerhalb bestimmter Genregrenzen zu bewegen? Ich meine, man kann ja nicht mit jedem Output eine 180°-Wende im Sound hinlegen …
Felix: Diese Frage hören wir oft. Alle aus der Band haben ihren persönlichen Geschmack und ihre individuelle Musiker-Persönlichkeit. Das was dabei herauskommt, kommt eben dabei raus. Das können wir schlecht beeinflussen. Durch das Songwriting steckt man natürlich schon einen gewissen Grenze genretechnisch ab, aber das Endresultat entwickelt dann schon eine gewisse Eigendynamik. Auch die Unterschiede zwischen Vorproduktion und endgültiger Produktion weisen hier oft enorme Unterschiede auf. „Da steckst ned drin“ ;-)
Alex: Wie kann man mit seiner Musik heutzutage überhaupt noch bei der Menge an Bands und schon gespielter Musik auffallen?
Felix: Authentizität und Spaß an dem, was man tut. Das sind unsere Grundsätze, die wir im Hinterkopf haben, wenn wir Entscheidungen treffen und Musik machen. Ob das jetzt das Rezept für garantierten Erfolg ist, wage ich zu bezweifeln. Immerhin füllen wir kein Stadion. Aber seit wir uns einen Dreck scheren, was Leute von uns erwarten, bilde ich mir schon ein wenig Expansion ein.
Alex: Ist denn der Erfolg im Musikgeschäft planbar? Man ließt/hört ja regelmäßig von gecasteten Acts, die (zumindest für kurze Zeit) sehr populär sind.
Felix: Nein, so etwas ist natürlich bis zu einem gewissen Grad planbar, aber dazu muss schon eine gehörige Menge Geld, Connections und Glück hinzukommen, dass daraus wirklich eine rentable Geschichte wird. Am langhaltigsten kommt man mit einem hohen Maß an Bock, Authentizität und Eiern. Zumindest sehen wir das so.
Alex: Welche Rolle spielen für euch als Band solche Plattformen, wie YouTube und Facebook? Sind sie eher hilfreich, oder nur eine Erscheinung, mit der man sich arrangieren sollte?
Felix: Im Gegenteil. Facebook ist für eine junge Band wie uns ein wichtiges Tool, um mit seinen Fans in Kontakt zu bleiben. Es gibt derzeit keine Plattform, die es Bands ermöglicht dichter und direkter mit Fans zu kommunizieren oder Feedback zu erhalten. Postest Du ein geiles Bild, so kriegst Du viele Likes. Postest du ein weniger geiles Bild, erhältst Du eben weniger Likes. Plakativer und besser geht’s nicht!!! :)
Alex: Aktuell haben Vinyls wieder eine wachsende Fangemeinde. Was haltet ihr von den knisternden Scheiben?
Felix: Spielt für uns keine Rolle. Die meisten Leute kaufen CDs oder laden sich mp3s auf iTunes und co im Netz herunter. Bislang hab ich nur wenige Anfragen nach Vinyl bekommen. Die Anfragen nach CDs ist jedoch so eklatant höher, dass wir das Thema Vinyl guten Gewissens vernachlässigen können.
Alex: Ist das nur ein kurzer Trend, oder ein Zeichen dafür, dass die Musikhörer die Schallplatte in Zukunft einem sterilen Download vorziehen würden?
Felix: Wenn überhaupt, hab ich von diesem Trend nichts mitbekommen. Aber falls ja, dann sicher Trend. Immerhin können wir uns ja überraschen lassen, wie lange die CD noch durchhält, bevor der digitale Schleim uns alle ereilen wird ;-)
Alex: Was ist eurer Meinung nach wichtiger: Eine große Menge an Fans zu gewinnen, die einem eine Zeit lang ein angenehmes Leben bescheren, dafür aber bei den kleinsten Veränderungen im Sound wieder weg sind, oder ist es besser eine kleine, dafür aber eingeschworene Fangemeinde zu haben, die zwar nicht dafür sorgt, dass man in der Rock'n'Roll Hall of Fame landet, dafür aber konsequent auf der Bühne stehen darf?
Felix: Geil ist es, Fans zu haben, die zu einem stehen und Veränderungen im Sound verstehen. Eine Veränderung im Sound hat ja immer einen gewissen Hintergrund, veränderte Umstände. Die kommen ja noch von jetzt auf gleich und aus heiterem Himmel. Fans, die unsere Musik verstehen, verstehen auch das. Im Metal hat man eh das Glück, die besten Fans der Welt zu haben – insofern: No problemo!
Alex: Was ist eigentlich die Aufgabe von Musik in unserer heutigen Gesellschaft? Soll sie etwas verändern, oder zeigt sie nur einen Status Quo an?
Felix: Musik beschreibt immer einen Zustand emotionaler Art. Zumindest ist das bei uns so. Dieser Zustand kann natürlich beispielsweise rebellischer Natur sein oder eben einen Zustand beschreiben. Generalisieren kann man das nicht.
Alex: Als ich mit Stu Cook von Creedence sprach, erzählte er, dass er mit Doug Clifford die Band Creedence Clearwater Revisited in den Neunzigern gestartet hat, um unserer Generation die Möglichkeit zu geben, uns einen Eindruck davon zu machen, was sie damals mit Creedence Clearwater Revival auf die Beine gestellt haben. Was haltet ihr von solchen Versuchen, einen eigentlich musikalisch vergangenen Moment auf diese Weise festhalten zu wollen?
Felix: Um so etwas zu starten oder gar zu verstehen, sind wir zu jung. Meines Erachtens nach lebt man nicht in der Vergangenheit. Was will ich denn mit Musik aus den 90ern? Wir leben mittlerweile im 21 Jhd. Das ist gewaltig später. Über die Jahre haben sich die Musiken verändert und gewandelt. Aus gutem Grunde. Bestes Beispiel aus heutiger Sicht ist die 2000er NuMetal Bewegung. War 'ne Zeit lang ganz geil, aber jetzt ist eben Zeit für Neues! Over The Edge ;-)
Alex: Wo seht ihr die ganze Musikszene (auch außerhalb rockiger Klänge) in zwanzig oder dreißig Jahren?
Felix: Am Arsch. Nothing more to add.
Alex: Was kann man von Hyrax in der Zukunft erwarten?
Felix: Wir werden grade alle sesshaft, kriegen Kinder und hören vermutlich das Musizieren auf, um unsere Familien jede verfügbare Aufmerksamkeit widmen zu können.... hust ;-) Wir schreiben gerade an neuem Material parallel zu unserer Tour und haben natürlich vor irgendwann nächstes Jahr ein neues Schaffenswerk aufzunehmen. Bis dahin wird aber fröhlich weiter durch Deutschland getourt.
Alex: Danke, dass ihr euch die Zeit für das Interview genommen habt! Nun gehört euch das Schlusswort an die Fans.
Felix: Hairy balls and not too fast!
Moderation: Alexander Kipke

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